Ein Familienbilderbogen
IMBOS/Basel
Spiel: Julius Griesenberg, Gerd Imbsweiler, Frauke Jacobi, Ruth Oswalt
Regie: Antonia Brix
Ausstattung: Cornelia Koch
Licht: Robert Meyer
Technik: Michael Studer
Produktion: Stephan Zbinden
Frankfurt 1917, der Struwwelpeter Verleger Wilhelm Ernst Oswalt heiratet Wilhelmine Rosenhaupt und wird anfang der 20er Jahre Vater der beiden Söhne Heiri und Ludwig.
Frankfurt 1936, der Rütten & Loening Verlag muss zwangsverkauft werden.
Aufgrund seiner jüdischen Abstammung verliert der Verlagsbesitzer Wilhelm Ernst Oswalt die berufliche Existenz. Krankheit, Tod und Auswanderung prägen das Leben seiner vierköpfigen Familie.
Basel 2011: Der «Struwwel» und seine Väter leben weiter – auf der Bühne.
Aus hunderten von Briefen und Dokumenten, die von der Enkelin und Schauspielerin Ruth C. Oswalt vor kurzem gefunden wurden, entstand ein bewegender Familienbilderbogen, verwoben mit Elementen
des
legendären Buches «Struwwelpeter»
Pressebilder vonRobert Mayer
Pressestimmen
Dass der Abend nicht schwermütig wird, sondern leicht daherkommt, liegt an der klugen Umsetzung und dem virtuosen Spiel (Regie: Antonia Brix). Im minimalistischen Bühnenbild aus Umzugskartons und
Klappstühlen lassen Gerd Imbsweiler als Verlegerpatron und Frauke Jacobi erst als kunstsinnige, dann kranke Gattin die Atmosphäre gutbürgerlichen Eheglücks erstehen – wie im Schlager der goldenen
Zwanzigerjahre. Vor allem die quirligen Jünglinge, Ruth Oswalt als ihr eigener Vater und Julius Griesenberg als der Jüngste, bespielen die papierne Szenerie mit Schalk. Sie erschaffen mit wenigen
Handgriffen und Scherenschnitten ganze Welten.
Geschickt, gewitzt und stets nachvollziehbar wechseln die Ebenen dieses dokumentarischen Theaters: Manche Szenen werden von den Schauspielern mithilfe von Pappfiguren nachgestellt, manche mit
tatsächlichen Hochzeits- und Taufreden ausgespielt, manche nacherzählt.
Trotz der offenen Form nimmt man am Schicksal der Oswalts teil. Gerade dank des nicht-naturalistischen Stils ergeben sich anrührende Szenen.
Aufrichtig und ohne Pathos entsteht die wechselvolle Geschichte einer Familie, ohne dass das Publikum bevormundet würde. Beeindruckend! Dokumentarisches Theater im besten Sinne.
Basler Zeitung, Dienstag, 15. November 2011
Regisseurin Antonia Brix bringt die szenischen Bilder und Texte mehrschichtig, reiht Ereignisse aus der Familienchronik aneinander. Erzählung und Spiel überlappen sich, zudem kommt mit herrlich
überzeichneten Struwwelpetergeschichten ein faszinierendes, überraschendes Element hinzu.
Es spielen mit einer redlichen und bemerkenswerten Ausstrahlung die jüngeren Julius Griesenberg und Frauke Jacobi sowie die älteren Ruth Oswalt und Gerd Imbsweiler. Die Mischung von zwei
Schauspieler-Generationen gelingt.
Basellandschaftliche Zeitung, Mittwoch, 16. November 2011
Die Geschichte der vielen Ebenen, die - obgleich sie Ruth Oswalt aus Familienbriefen rekonstruiert hat - an keiner Stelle aufgesetzt wirkt, lebt nicht nur aus ihren Schauspielern, sonders ganz
besonders aus der aussergewöhnlichen und detailverliebten Ausstattung, für die die gebürtige Riehenerin Cornelia Koch verantwortlich ist. Ihre improvisierte Perfektion aus Pappe und Papier gibt
der Erinnerung Raum. Es könnte so gewesen sein, aber auch anders. () Diesmal ist alles so verwickelt echt und unecht, wahr und unwahr. Dazu passt auch die Besetzung nahtlos. Ruth C. Oswalt und
Gerd Imbsweiler haben ihr Theater 2007 in jüngere Hände übergeben und sich von der Bühne zurückgezogen. Oder auch – und vielleicht besser – nicht.
Badische Zeitung, Dienstag, 15. November 2011